Umweltverträglichkeitsprüfung für Langzeitbetrieb AKW Leibstadt – Beschwerde gegen BFE wegen Rechtsverweigerung
Marcel Tobler,
Das auf 40 Betriebsjahre ausgelegte AKW Leibstadt geht am 15. Dezember 2024 in den Langzeitbetrieb über. Die Schweiz betreibt den ältesten AKW-Park der Welt. Dieser stellt ein unvermeidliches Restrisiko für katastrophale Unfälle mit riesigem Schadenspotenzial dar.
UVEK verletzt Abkommen und missachtet Mitspracherechte der Anwohnenden
Fünfzehn Anwohnerinnen und Anwohner aus der näheren Umgebung des AKW Leibstadt beidseits der Rheingrenze haben bereits am 26. Februar 2024 ein Gesuch für eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) beim UVEK eingereicht. Als direktbetroffene Anwohnende fordern sie ihr Recht auf demokratische Mitsprache ein, das Bestandteil einer UVP ist. Das UVEK hat das Gesuch bisher nicht geprüft, geschweige denn eine UVP an die Hand genommen. Es schafft damit Fakten, verletzt internationale Abkommen und übergeht die Betroffenen. Weil der Bund nicht zeitgerecht auf das Gesuch eingetreten ist, haben die Anwohnenden beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen das BFE wegen Rechtsverweigerung erhoben.
Bund verhält sich widersprüchlich
Die Weigerung, auf das Gesuch der Anwohnenden einzugehen, steht im Kontrast zur Art, mit welcher Bundesrat Albert Rösti versucht, die Atomkraft in der Schweiz wiederzubeleben. Mit grossem Tempo strengt er demokratische Prozesse an, um das AKW-Neubauverbot zu streichen. Hingegen werden beim Langzeitbetrieb des AKW Leibstadt internationale Abkommen, kritische Stimmen und demokratische Rechte von Betroffenen ignoriert.
Rechtzeitige UVP ist verbindlich
Die Umweltverträglichkeitsprüfung dient dazu, nachteilige und grenzüberschreitende Auswirkungen des AKW-Langzeitbetriebs auf Mensch und Umwelt zu erkennen und mögliche Alternativen aufzuzeigen. Teil einer UVP ist die Konsultation der betroffenen Bevölkerung. Dazu hat sich die Schweiz unter den Aarhus- und Espoo-Konventionen verpflichtet, worauf sich die Beschwerdeführenden berufen. Da das AKW Leibstadt in wenigen Tagen in den Langzeitbetrieb übergeht, hätte das UVEK also schon längst eine UVP veranlassen müssen.
Weitere Informationen
- Medienmitteilung (SES) vom 28. Februar 2024 zur Einreichung des UVP-Gesuchs
- Die drei Nichtregierungsorganisationen – die Schweizerische Energie-Stiftung SES, Greenpeace Schweiz und der Trinationale Atomschutzverband TRAS – unterstützen die Beschwerdeführenden im Rechtsverfahren und in der Kommunikation.
Stephanie-Christine Eger
Leiterin Fachbereich Atomenergie
+41 44 275 21 20
stephanie.eger@energiestiftung.ch
Espoo- und Aarhus-Konventionen
Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen («Espoo-Konvention»)
Am 10. September 1997 ist das Abkommen für die Schweiz in Kraft getreten. Es verpflichtet Mitgliedstaaten Massnahmen zur Verhütung, Reduzierung und Bewältigung von erheblichen, grenzüberschreitenden nachteiligen Auswirkungen eines Vorhabens zu ergreifen. Zu diesen Vorhaben gehört auch der de facto Übergang in den Langzeitbetrieb. In so einem Fall muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden und haben (potentielle) betroffene Parteien ein Mitspracherecht.
Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten («Aarhus- Konvention»)
Die Aarhus-Konvention, die für die Schweiz am 1. Juni 2014 in Kraft getreten ist, beruht auf den drei Pfeilern «Umweltinformation», «Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Entscheidungsverfahren» und «Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten». Im Falle bestimmter Tätigkeiten, wozu auch der Langzeitbetrieb von Kernkraftwerken gehört, muss zuerst eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Zusätzlich müssen Anwohnende aktiv informiert werden und haben sie ein Mitspracherecht.
Die Schweiz ist völkerrechtlich zur Einhaltung dieser Abkommen verpflichtet, worauf sich die betroffenen Gesuchstellenden berufen.