Marschhalt nötig: Gegenentwurf zur Atom-Initiative demokratisch nicht mehr haltbar
Marcel Tobler,
Letzte Woche hat Energieminister Rösti angekündigt, mittels eines indirekten Gegenvorschlags zur Atom-Initiative «Blackout stoppen» das Neubauverbot für Atomkraftwerke aufheben zu wollen. Bestätigt das Parlament diesen Entwurf, ist eine Volksbefragung nur bei einem Referendum vorgesehen, obwohl die Stimmbevölkerung erst vor sieben Jahren den Atomausstieg im Rahmen der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 beschlossen hat.
Nun hat eine Recherche des Tages-Anzeigers offengelegt, dass die bei der Unterschriftensammlung beteiligten und vor allem in der Romandie und insbesondere im Kanton Waadt beteiligten Firmen in ein Strafverfahren wegen Unterschriftenfälschungen im grossen Stil involviert sind. Ob sich auch unter den Unterschriften für die Atom-Initiative Fälschungen befinden, beziehungsweise ob sich deren Echtheit überhaupt überprüfen lassen, ist derzeit unklar.
Vergleich zeigt völlig unglaubwürdige Werte
Die Schweizerische Energie-Stiftung SES hat die vom Initiativkomitee eingereichten und von der Bundeskanzlei veröffentlichten Unterschriftenzahlen genauer analysiert:
- Gemäss Bundeskanzlei stammen 35'164 Unterschriften der insgesamt 125'830 im Februar eingereichten Unterschriften für die Volksinitiative «Blackout stoppen» aus dem Kanton Waadt.
- Der Kanton Waadt wies zum Zeitpunkt der Einreichung der Initiative rund 475’000 Stimmberechtigte auf. Gemäss einer Umfrage des Nuklearforums (Atomenergie befürwortend) von letztem Jahr sind rund 25% der Wohnbevölkerung in der Romandie der Meinung, das Neubauverbot solle aufgehoben werden. Umgelegt auf die Waadtländer Stimmbevölkerung würde dies knapp 119’000 Stimmenden entsprechen.
- Im November 2016 sagte der Kanton Waadt bei einer durchschnittlichen Stimmbeteiligung von 47,9% mit 54,6% JA zur Atomausstiegsinitiative, die einen raschen Ausstieg aus der Atomenergie innert 13 Jahren forderte. Nein stimmten 93'713 Stimmberechtigte, also weniger als 20% der Waadtländer Stimmbevölkerung.
- Die Unterschriftensammelnden für die Atom-Initiative hätten somit nur wenige Jahre später innert der Sammelfrist von 18 Monaten je nach Vergleich einen Anteil von 29,5% (35'164 von 119'000) oder gar 37,5% (35’164 von 93'713) aller für das Anliegen grundsätzlich offenen Personen für eine Unterschrift gewinnen müssen.
- Praktisch identische Werte zeigen sich im Kanton Genf.
- Diese Werte für eine Volksinitiative ohne regionalen Bezug sind völlig unglaubwürdig und übersteigen stichprobenartige Vergleiche mit anderen Volksinitiativen um Faktor 4 oder deutlich mehr.
Sofortiger Marschhalt gefordert
Das Vorhaben Bundesrats hat somit keine gesicherte Grundlage, solange nicht geklärt ist, ob die Atom-Initiative mit legalen Mitteln die nötige Unterschriftenzahl tatsächlich erreicht hat. «Der Bundesrat kann beim Gegenentwurf zur Atom-Initiative nicht einfach weitermachen, als ob nichts geschehen wäre. Es ist demokratisch unhaltbar, den Prozess fortzuführen. Wir fordern einen sofortigen Marschhalt», äussert sich SES-Geschäftsleiter Nils Epprecht deutlich.
Zweifelhafte Unterschriftensammlung für Atom-Initiative
Wie der Tages-Anzeiger und SRF Rundschau bereits im Februar 2023 publik machten, wurden die Unterschriften für die Initiative teuer gekauft. Die Schweizerische Energie-Stiftung SES hat die Methode der fraglichen Unterschriftensammlung schon damals im Beitrag der SRF Rundschau kritisiert und angezweifelt und fühlt sich nun leider bestätigt.
Nils Epprecht
Geschäftsleiter
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