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Energie und Umwelt - Das Stromgesetz

Gute Erfindung, grosses Geschäft?

Ein Berner Tüftler baut sich einen Sand-Wärmespeicher fürs Eigenheim. Die St. Galler Frischkäsefabrik Züger nutzt ein Kleinwindrad zur Stromgewinnung für den Eigenverbrauch und zur Imagepflege. Der Abwasserverband Region Lenzburg baut sich ein faltbares Solardach über die Klärbecken für den Stromverbrauch der Anlage.

Erneuerbare und Cleantech passen gut zum Schweizer Selbstverständnis: erfinderisch, selbstbestimmt, unternehmerisch und nutzenorientiert. Doch können sich Sand-Wärmespeicher, Kleinwindräder oder Spezialanwendungen wie ein faltbares Solardach am Markt durchsetzen? Und wie können Politik und Staat Innovationen im Bereich der Erneuerbaren sinnvoll fördern?

Reportage von Sabina Galbiati

Ein Fass voll Sand zum Heizen

Er sei eigentlich kein Handwerker, sagt Robert Hofer immer, wenn er erzählt, wie er seine Sandbatterie zur Wärmespeicherung gebaut hat. «Aber die Technik ist denkbar einfach.» Ein 200-Liter-Eisenfass hat er mit Schwemmsand vom nahegelegenen Kieswerk gefüllt – solchem, der nicht zum Bauen taugt. In der Mitte stehen Hohlziegel übereinander, an denen ein Widerstandsdraht als Wärmeleiter befestigt ist. Acht Solarpanels mit insgesamt 2,4 Kilowattpeak Leistung auf dem Anbau des Einfamilienhauses in Langnau (BE) versorgen die Sandbatterie mit Strom. Der Draht gibt die Wärme an den Sand ab.

«Sand ist ein schlechter Wärmeleiter, daher dauert es lange, bis die Wärme vom Kern bis an den Rand des Fasses gelangt», sagt Hofer. Das sei ideal, um Wärme über einen längeren Zeitraum zu speichern – im Idealfall vom Sommer bis in den Winter. Um das Fass ist ein Wellrohr gewickelt, durch das Wasser fliesst und erhitzt wird, bevor es in den Boiler im Haus fliesst.

Dank dem vorgewärmten Wasser braucht der Boiler weniger Energie, um auf die 60 Grad zu kommen. Mit einem einfachen Grillthermometer misst Hofer die Temperatur im Sand. Der Rekord liegt bei 300 Grad. Das Wasser konnte er so bis auf 80 Grad erhitzen. Eine dicke Schicht Glaswolle und Aluminiumfolie umhüllen die Konstruktion, damit die Wärme nicht entweicht. Rund 2000 Franken hat der Prototyp gekostet – inklusive Solarpanels und Sanitär für den Wasseranschluss.

Mit seiner Sandbatterie will Hofer zeigen, was selbst mit einfacher Technik möglich ist. Die Daten für seinen Prototyp sind im Netz frei zugänglich. Vor allem Landwirte interessieren sich. Sie haben viel Fläche für Solarenergie und Platz für einen Sandspeicher, mit dem sie ihren Eigenverbrauch optimieren könnten. Doch Hofer sieht noch wesentlich mehr Potenzial. Richtig grosse, unterirdische Sandspeicher bei Blockheizkraftwerken könnten zu Spitzenzeiten mit überschüssigem Solarstrom erhitzt werden.

Bei Temperaturen von mehreren 100 Grad sei Sand der effizientere Wärmespeicher als beispielsweise Wasser, sagt Hofer. «Zudem liesse sich die Wärme mittels Wasserdampf zu Strom turbinieren und die entstandene Abwärme für Fernwärmenetze nutzen.» So müsse man im Sommer über Mittag keine Solaranlagen abschalten, um das Netz zu schützen, argumentiert Hofer. Der Pensionär entwickelt bereits einen nächsten Prototyp mit mehreren Kammern und Isolationsschichten, um die Wärme über Wochen zu speichern.

Die Idee, Sand als Wärmespeicher zu verwenden, hat Robert Hofer vom finnischen Start-up Polar Night Energy. Allerdings ist deren Silo-Wärmespeicher mit rund 830 000 Litern Sand wesentlich grösser. Die «Sand Battery» erreicht bis zu 600 Grad und eine Heizleistung von 100 Kilowatt.

Die Fläche doppelt nutzen mit einem Solarfaltdach

Die Sonne knallt an diesem Frühlingstag auf die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Langmatt in Wildegg (AG), wie es sich Betriebsleiter Roman Bieri nicht anders wünschen könnte. Das Solar-Faltdach über den Klärbecken läuft – oder besser liefert – auf Hochtouren. 2022 nahm der Abwasserverband Lenzburg die neue Solaranlage mit 230 Kilowattpeak in Betrieb.

Die Anlage erstreckt sich über eine Fläche von 1250 Quadratmeter und liefert dem Klärwerk jährlich gute 220 Megawattstunden Strom. «10 Prozent mehr, als prognostiziert wurde», betont Bieri. Er ist ein Fan des Solar-Faltdachs, keine Frage. «Seit sie in Betrieb ist, läuft die Anlage ohne einen einzigen Zwischenfall, und die Module sind sauber wie am ersten Tag.»

Die Doppelnutzung durch die Solaranlage über den Klärbecken ist nur möglich, weil die Solarpanels lediglich ein Drittel so viel wiegen wie gängige Panels. Dadurch lassen sie sich auf dieser Fläche in die Seilbahnen der Trägerkonstruktion einhängen. Die Module liefern gleich viel Energie wie herkömmliche Panels, aber die Leichtbau-Konstruktion wie auch die Module selbst sind weniger wetterfest. Bei starkem Wind, Hagel oder Schnee ziehen Seilwinden die Solarpanels wie eine Ziehharmonika unter ein schützendes Dach. Dafür nutzt das System Wetterdaten.

Durch die leichte Bauweise können die Stützträger solcher Faltdächer bis zu 32,5 Meter auseinanderstehen. «Deshalb können wir sie über Umschlagplätzen, Parkplätzen, anderen Industrieflächen oder eben über Klärwerken aufstellen», sagt Gian Andri Diem, Mitgründer der DHP Technology AG. Das junge Unternehmen aus Zizers (GR) hat das Faltdach entwickelt und konstruiert. Es plant und installiert inzwischen auch Anlagen in Deutschland und anderen Ländern. Die Solarpanels – ein Standardmodell – werden im Ausland gefertigt.

«Bisher bauen wir neun von zehn Anlagen über ARAs, weil diese viel Strom brauchen und unsere Anlagen für den Eigenverbrauch konzipiert sind», erklärt Diem. Lukrativ sind sie dort, wo ein fixes Solardach auf Stützträgern, ein sogenannter Solar-Carport, nicht realisierbar ist, aber sich die Doppelnutzung der Fläche dank des Eigenverbrauchs vor Ort lohnt. «Eines der ersten Faltdächer bauten wir 2020 beispielsweise über dem Parkplatz der Luftseilbahn Jakobsbad-Kronberg (AI).» In der Anfangsphase erhielt das Start-up via Technologiefonds eine Bürgschaftszusicherung von drei Millionen Franken vom Bund. «Neben den anderen Förderbeiträgen war die Bürgschaft ein echter Game Changer», betont Diem.

Mit durchschnittlich 2500 Franken pro installiertem Kilowattpeak sind solche Anlagen doppelt so teuer wie vergleichbare auf einem Fabrikdach. In Wildegg geht Bieri davon aus, dass sich die Anlage bei einer Lebensdauer von mindestens 20 Jahren innert rund 12 Jahren amortisiert. Aber für ihn viel wichtiger: Die ARA leistet einen Beitrag an die Energiewende und ist als kritische Infrastruktur unabhängiger vom Stromnetz.

In der ARA in Wildegg fährt sich die Anlage auch nachts ein, damit sich weniger Staub von den vorbeifahrenden Güterzügen absetzt.

Hier zählt nicht nur der Wind

Auch wenn auf dem Dach der Frischkäsefabrik Züger in Oberbüren (SG) etwas Wind weht an diesem Nachmittag, ist heute «noch nichts heruntergekommen», wie es Roman Püntener formuliert. Er ist zuständig für die gesamte Elektrik des Standorts und damit auch für das Windrad. Es steht auf dem Sockel des Liftschachts in 25 Metern Höhe. Die Windturbine überragt diesen um 9 Meter.

Püntener hat es selbst verkabelt und in Betrieb genommen. «Seither läuft es einwandfrei», sagt Püntener – «wenn es denn läuft». Die 3-Kilowattpeak-Anlage könnte im Schnitt 3000 Kilowattstunden Energie pro Jahr liefern, doch der Standort bietet zu wenig Wind. «Wir kommen auf etwa 500 Kilowattstunden.» Das Windrad müsste mindestens 1,5 Umdrehungen pro Sekunde schaffen, damit Strom eingespeist wird.

Aus welcher Richtung der Wind weht, spielt keine Rolle. Das Rad muss sich dank der vertikalen Achse nicht danach ausrichten und es rotiert nahezu lautlos. Vorteile, die für solche Kleinwindkraftanlagen sprechen, findet Püntener. Aber zum Vergleich: Die fabrikeigene PV-Anlage liefert gegen 500 Megawattstunden Strom pro Jahr – das 1000-fache des Windrads – und deckt rund fünf Prozent des Verbrauchs. «Wir wollen mit dem Windrad vor allem zeigen, dass wir ein fortschrittlicher Betrieb sind und auf erneuerbare Energien setzen», sagt Püntener.

So ein Windrad habe eben auch Pioniercharakter und genau der stecke auch in der Philosophie des Familienunternehmens. Schwierige Windstandorte kennt Frido Stutz, Inhaber der NewGreenTec AG in Kloten (ZH), bestens. Sein Unternehmen entwickelt und vertreibt verschiedene Arten von Kleinwindkraftanlagen – auch jene in Oberbüren. «Der nahegelegene Wald schwächt dort den Wind», erklärt Stutz. 56 Anlagen hat das Unternehmen schweizweit bereits installiert – auch solche mit angewinkelten PV-Modulen als Sockel, die zusätzlich Wind zum Rad leiten.

«Eine Kilowattstunde Windenergie kostet an einem guten Windstandort zwischen 20 und 40 Rappen», sagt er. Der Knackpunkt: «Schon ein Baum oder ein anderes Gebäude kann den Wind auf diesen niedrigen Höhen massiv beeinflussen», erklärt Stutz. Er sieht das Potenzial für Kleinwindkraft vor allem für die Optimierung des Eigenverbrauchs in der Industrie und Landwirtschaft, da, wo es weite, freie Windströmungen gibt. «Unser Ziel ist es, noch bessere Anlagen zu entwickeln und die Kosten zu senken», sagt er.

Im Gegensatz zur Solaranlage ist das Windrad mit dem blaugrünen Züger-Logo weit herum gut sichtbar. Selbst mit der mageren Windausbeute hat sich die 30 000-Franken-Investition für das Unternehmen am Ende gelohnt.

Von der Idee zum Durchbruch

Damit sich neue Technologien auf dem Markt behaupten, braucht es mehr als die zündende Idee. Bei den Erneuerbaren erschwerten die bewährten Technologien lange Zeit den Durchbruch. Tobias Schmidt ist Professor für Energie- und Technologiepolitik an der ETH. Er analysiert Technologien und wie sie sich auf dem Markt durchsetzen. «Viele Investoren wie Banken gewähren erst Kredite oder investieren, wenn sich die Technologie bewährt hat, aber dafür braucht sie zuerst Kapital», sagt Schmidt. «Im Grunde haben wir es mit einem Marktversagen zu tun».

Schmidt nennt als Beispiele den Sprung von der Forschung zum Piloten und jenen vom Piloten zur Marktreife – die zwei «Death Valleys»: «In diesen Phasen geht vielen Forschenden und Start-ups das Geld aus.» Ausgerechnet bei letzterem will der Bund den Rotstift ansetzen und beispielsweise das «Pilot- und Demonstrationsprogramm» zur Entwicklung und Erprobung neuer Technologien aus Spargründen ab 2027 streichen. «Zugunsten der kurzfristigen Effizienz wird hier viel langfristiges Potenzial im Keim erstickt», ist Schmidt überzeugt.

Massnahmenmix bringt Erfolg

«Ist der Sprung in den Markt geschafft, hilft nebst der direkten finanziellen Förderung ein Mix aus staatlichen Lenkungsmassnahmen in Form von Anreizen», sagt Schmidt. Solche Anreize finden sich etwa auf Ebene des neuen Stromgesetzes. Beispielsweise können neu mehrere nachbarschaftliche Liegenschaften einen virtuellen ZEV (Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) bilden und Solarstrom teilen, oder in lokalen Elektrizitätsgemeinschaften kann Solarstrom direkt im Quartier verkauft werden. Weiter kann der Staat selbst zum Käufer von Waren und Dienstleistungen werden oder er kann den Zugang zu einer Technologie wie der Ölheizung erschweren und zu anderen vereinfachen – etwa im Fall von Wärmepumpen und Solaranlagen, die finanziell unterstützt werden. Davon profitieren wiederum Firmen wie die DHP Technology AG, die die Solar-Faltdächer entwickelt hat.

Schmidt sieht die Faltdächer als interessante Nischen-Nutzung. «Ähnlich wie Solarfassaden und -Ziegel ermöglichen sie eine Doppelnutzung, wo sonst kaum PV-Anlagen möglich wären», sagt er. Potenzial haben die Faltdächer überall dort, wo es zwischen den Stützträgern des Daches viel Platz braucht – beispielsweise, damit Lastwagen rangieren können –, oder dort, wo das Dach von Zeit zu Zeit geöffnet werden muss, etwa für Einbauten oder Revisionsarbeiten.

David Grosspietsch ist Cleantech Finance Specialist für den Technologiefonds, der durch Bürgschaften des Bundes Bankkredite für Start-ups wie die DHP Technology AG ermöglicht. Er nennt einen weiteren Vorteil: «Weil das Faltdach zum Schutz vor schlechter Witterung in eine Einhausung eingefahren wird, bleibt es im Winter schneefrei und kann mehr Strom als ein vergleichbarer Carport liefern.» Das sei etwa in Skigebieten mit grossen Parkplätzen und Seilbahnanlagen ein Vorteil. Das Faltdach ist für ihn ein typisches Beispiel, worin die Schweiz stark ist: «In der Entwicklung, Weiterentwicklung und Kombination von Technologien».

Schmidt nennt eine weitere wichtige Funktion solcher Nischen-Technologien: Sie können einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung und Akzeptanz der Erneuerbaren haben. «Denn wenn die Leute sehen, was alles möglich ist, vertrauen sie eher darauf, dass die Energiewende zu schaffen ist.» Natürlich sei auch das Gegenteil möglich, etwa wenn der Bund ein Produkt fördern würde, das dann nicht funktioniere.

Batteriespeicher als harter Konkurrent

Auch Sand hat seine Nische. Sein Potenzial zur Wärmespeicherung liegt vor allem bei der Prozesswärme in der Industrie. «Hier kann der Wärmespeicher mit günstigem Strom erhitzt werden und so Strompreisschwankungen ausgleichen», sagt Schmidt. Aber eine saisonale Speicherung mit derart hohen Temperaturen wäre extrem teuer – gerade mit Blick aufs Wohnen, wo so hohe Temperaturen gar nicht benötigt werden.

Auch bei der Kleinwindkraft sind die hohen Kosten der Knackpunkt. «Obwohl es durchaus Standorte und Situationen gibt, wo Kleinwindräder Sinn machen, ist die Grosswindkraft bezogen auf den Material- und Kapitalaufwand massiv günstiger», sagt Schmidt. Letztlich dürfte es für die Kleinwindkraft wie auch die Sand-Wärmespeicher sehr schwierig werden, gegen immer günstigere und bessere Batteriespeicher zu konkurrieren, sind sich Grosspietsch und Schmidt einig. «Vor allem, wenn mehrere Haushalte oder Liegenschaften einen gemeinsamen Batteriespeicher nutzen, der auch Wärmepumpen mit Energie versorgt», fügt Schmidt an.

Allerdings zeigt sich gerade bei den Batteriespeichern, was passiert, wenn die richtigen Anreize fehlen: «Batteriespeicher wären heute schon wirtschaftlich und netzdienlich», sagt Schmidt. Doch damit sich die Investition finanziell lohne, brauche die Schweiz dynamische Strompreise und dafür müsste wohl erst der Strommarkt liberalisiert werden.

Sabina Galbiati

Sabina Galbiati

Journalistin, Autorin, Texterin

www.sabinagalbiati.ch

Fotos

Reto Schlatter, www.retoschlatter.ch


Illustrationen

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