energiestiftung.ch energiestiftung.ch Magazin 2024-04-Energie&Umwelt → Tribüne: Aus den Augen, aber nicht aus der Welt
Haberstal bei Stadel
Haberstal bei Stadel ZH, wo die Oberflächenanlagen des Endlagers geplant sind (Bild: Brigitte Dorn

Aus den Augen – aber nicht aus der Welt

Die Medizin, die Strombranche und die Forschung produzieren tonnenweise radioaktiven Abfall. Diese Hinterlassenschaft wird Jahrtausende weiter strahlen und kommende Generationen bedrohen, auch tief unten in einem vermeintlich sicheren Endlager.

Von Brigitte Dorn
im Namen des Vorstands Verein LoTi, Nördlich Lägern ohne Tiefenlager

Am 19. November hat die Nagra beim Bund das Gesuch zur Errichtung eines Endlagers eingereicht, ein Eckpfeiler auf dem langen Weg zur Entsorgung radioaktiver Abfälle in der Schweiz. Das Endlager soll in Stadel im Kanton Zürich gebaut werden. Dort liegen in 900 Metern unter der Erdoberfläche Tonschichten, die bestens geeignet sein sollen, um uns für eine Million Jahre vor diesen radioaktiven Abfällen zu schützen.

Ist das Einlagern von diesem strahlenden Müll tief unter der Erde tatsächlich die einzige, die richtige Lösung? Oder werden unsere Nachfahren eine bessere Lösung finden? Die Endlagersuche in der Schweiz, das sogenannte Sachplanverfahren, sieht keinen Plan B vor. Noch vor 30 Jahren galt der Wellenberg (NW) als sichere Lösung. In den 1970er- und frühen 80er Jahren wurden Stollen des ehemaligen Gipsbergwerkes Felsenau (AG) als mögliche Lagerorte untersucht. Beide Varianten wurden später als ungeeignet verworfen. Ein neuer Plan war nötig, aktuell der des Endlagerns in tief gelegenen Tonschichten. Sind wir damit nun auf dem richtigen Weg? Oder werden unsere Nachfahren das geologische Tiefenlagerkonzept auch als ungeeignet beurteilen?

Selbstverständlich ist es nicht mehr denkbar, den Atommüll einfach in Bergwerken zu deponieren oder ins Meer zu kippen. Dies verschmutzt früher oder später Böden und Gewässer und führt via Nahrung unmittelbar zum Menschen und seiner Umwelt zurück.Für die vorhandenen Abfälle braucht es Lösungen, die es den kommenden Generationen ermöglichen, das Problem aufgrund künftiger Erkenntnisse zu entschärfen oder auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.

Wir sollten innehalten, bevor wir folgenschwere Entscheide für unsere Nachfahren treffen. Sie haben unseren Abfall nicht verursacht, müssen jedoch die Suppe auslöffeln, die wir ihnen eingebrockt haben. Niemand weltweit hat bisher ein Endlager für radioaktive Abfälle in dieser Tiefe in Tonschichten gebaut. Ob diese halten, was sie versprechen, bleibt trotz intensiver Forschung ungewiss.

Sicher ist nur, dass wir uns auf einem Weg der Unsicherheit befinden. Sicher ist nur das Risiko. Oder wie schon Friedrich Dürrenmatt in «Die Physiker» schrieb: «Je planmässiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.»

Hans-Rudolf Zulliger

Brigitte Dorn

im Namen des Vorstands Verein LoTi

www.loti2010.ch