Kritik am Sicherheitsnachweis für den Reaktordruckbehälter des AKW Beznau 1
Valentin Schmidt,
Mai 2022 - Prof. em. Dr. Kim Wallin, Materialexperte für Reaktordruckbehälter, stellt in diesem Gutachten Defizite in der Nachweisführung zu den Anomalien im Reaktordruckbehälter des AKW Beznau 1 fest.
Nachdem 2015 Anomalien im Reaktordruckbehälter (RDB) des AKW Beznau 1 entdeckt worden waren, musste der Reaktor aufgrund von Sicherheitsbedenken vom Netz. In einem eigens dafür entwickelten Verfahren hat die Axpo in der Folge einen Nachweis für die Sicherheit des Druckbehälters erbracht. Eine fraktographische Untersuchung von bestrahlten Materialproben war für diesen Nachweis laut ENSI entscheidend. Der Sicherheitsnachweis wurde letztlich vom ENSI akzeptiert und Beznau 1 2018 wieder in Betrieb genommen. In einem neuen Gutachten stellt nun Prof. em. Dr. Kim Wallin, ein weltweit führender Materialexperte für Reaktordruckbehälter, Defizite in der damaligen Nachweisführung fest.
Die Schlussfolgerungen des Gutachtens zum fraktographischen Bericht in der Übersicht
Der Bericht enthält nur eine oberflächliche exemplarische Untersuchung verschiedener mikrostruktureller Merkmale auf den Bruchflächen. Es werden keine Einzelheiten über die Lage der gefundenen Merkmale angegeben. Es wird auch keine statistische Analyse zur Verteilung und Häufigkeit der Merkmale durchgeführt. Da die Spaltbruchstellen nicht untersucht wurden, kann auch nichts über die Relevanz der gefundenen Merkmale in Bezug auf die Spaltbruchentstehung gesagt werden.
Der Bericht erscheint unvollständig, da die letzten Proben kaum untersucht wurden und eine ausführliche Diskussion der Befunde fehlt.
Es gibt einen deutlichen Unterschied in der Menge der Korngrenzenbrüche zwischen unbestrahltem und bestrahltem Material, aber die Relevanz dieses Unterschieds wurde nicht untersucht. Es wäre zwingend erforderlich, auch die Bruchflächen von Überwachungssätzen mit anderen Fluenzen als der hier untersuchten zu untersuchen.
Die mögliche nachteilige Wirkung von MnS-Einschlüssen und die Unterschiede in ihrer Verteilung wurden nicht näher untersucht. Dies ist ein Defizit in dem Bericht.
Die Kritik am fraktographischen Untersuchungsbericht ist sicherheitsrelevant. Spätestens 10 Jahre nach der hier diskutierten Materialprüfung, also 2025, müsste deswegen der Zustand des RDB von Beznau-1 erneut genau untersucht werden Insbesondere wäre ein zeitlicher Verlauf betr. MnS-Einschlüssen in Materialproben aufzulegen.