Energiewende mit Scheuklappen?

Die Lehren aus dem letzten Winter


Kulturpark Zürich (Pfingstweidstrasse 16, 8005 Zürich)

Solaroffensive, Windexpress und Wasserkraftreserve, Öl- und Gaskraftwerke in Birr, Cornaux und Monthey und eine Energiespar-Kampagne: Das waren die Antworten der Schweiz auf die europäische Gas- und Strommangellage und die zahlreichen AKW-Ausfälle in Frankreich. Nun ist der Winter vorerst überstanden, doch warm anziehen müssen wir uns weiterhin.

Die Veranstaltung der Schweizerischen Energie-Stiftung SES am 22. Mai 2023 im Kulturpark widmete sich dem letzten Energiewinter und zog Lehren für die kommenden Winter. Léonore Hälg, Fachbereichsleiterin Erneuerbare Energien und Klima bei der SES, fasste in einem kurzen Referat am Anfang zusammen, wieso die Sicherheit der Energieversorgung im letzten Jahr so sehr in den Vordergrund gerückt war, und umriss die vom Bund gefassten Massnahmen sowie die Forderungen der SES. Ihr Fazit lautete: «Investitionen ins Energiesparen und den Erneuerbaren-Ausbau sind ökonomisch und ökologisch sinnvoller als noch mehr Reservekapazität.»

Danach diskutierten auf dem Podium Matthias Gysler, Chefökonom beim Bundesamt für Energie, Anja Kollmuss, Klimapolitikberaterin und Lehrerin, und Nils Epprecht, Geschäftsleiter der SES, über Möglichkeiten zur Sicherstellung der Stromversorgung in der Zukunft. Kompetent moderiert wurde das Podium von Christoph Keller, Reporter, Autor, Moderator und Initiant der Plattform podcastlab. Die Diskussion drehte sich anfangs vor allem um das Energiesparen und dass man damit viel erreichen könnte. Anja Kollmuss forderte dazu einen Strauss an Massnahmen von finanziellen Anreizen, Informationskampagnen bis hin zu Selbstverpflichtungen und Gamification. Matthias Gysler meinte, dass mehr freiwilliges Energiesparen schwierig sei, denn die «Versorgungssicherheit [ist] ein öffentliches Gut. Wenn ich nicht spare, aber alle anderen sparen, habe ich auch gewonnen.» Ein grosses Thema der Diskussion waren auch Verbote. Anja Kollmuss meinte, dass «Verbote sehr gut funktionieren und gerecht sind», während Matthias Gysler aus ökonomischer Sicht argumentierte, dass «Verbote Wohlstand stehlen». Nils Epprecht brachte ein, dass die «Verbotsdiskussion im Klimadiskurs überhöht wird, wo Verbote an anderen Orten wie z.B. dem Strassenverkehr selbstverständlich sind.»

In einem zweiten Block stiess Michael Hermann, Politologe und Geschäftsführer von sotomo, hinzu. Er blickte auf die grüne Welle zurück und auf die kleinen Chancen, dass sich dieses Ergebnis bei den eidgenössischen Wahlen wiederholen wird. Dafür brachte er den Punkt in die Diskussion, dass die «Versorgungssicherheit auch konservative Milieus anspricht», die sich bisher wenig für den Erneuerbaren-Ausbau interessierten und klimapolitischen Themen gegenüber skeptisch waren. Dem stimmten alle Podiumsteilnehmenden zu.

Schliesslich wurde auch noch die Rolle des schweizerischen politischen Systems der direkten Demokratie bei der Energiewende angesprochen. Christoph Keller meinte dazu, dass «die Langsamkeit den Status quo» zementiere. Michael Hermann strich heraus, dass die «direkte Demokratie für schnelle und weitreichende Veränderungen weniger geeignet sei im Vergleich zur repräsentativen Demokratie».

In der Schlussrunde wurde nochmals darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, ein Wir-Gefühl zu etablieren, damit sich alle an der Wende hin zu einer sicheren und erneuerbaren Energieversorgung beteiligen und diese erfolgreich sein kann.

Impressionen

Die Bilder zur Veranstaltung finden Sie auf unserem Flickr-Kanal (Bild anklicken).

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