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World Nuclear Industry Status Report 2019: Neue AKW zu teuer und zu spät

Simon Banholzer,

Heute wird in Budapest der World Nuclear Industry Status Report 2019 vorgestellt. Der Bericht, der auch von der Schweizerischen Energie-Stiftung SES unterstützt wird, gibt einen umfassenden Überblick über die Situation der Atomindustrie weltweit. Die diesjährige Ausgabe legt einen Fokus auf die Atomkraft als vermeintliche Lösung gegen den Klimawandel. Darin wird aufgezeigt, dass Atomkraftwerke zu teuer sind und zu langsam gebaut werden können, um fossile Energieträger zur Begrenzung des Klimawandels zu ersetzen.

Atomkraft nicht «klimaeffektiv»

Amory Lovins, Wissenschaftler am Rocky Mountains Institute in Colorado, erklärt im Fokus-Kapitel des Reports, dass neben der CO2-Bilanz auch Baukosten und -zeit entscheidende Argumente im Einsatz gegen den Klimawandel darstellen. Lovins verwendet dafür den Begriff «Klimaeffektivität» (climate-effectiveness). Weil die Kosten für PV und Windräder stetig sinken, sind sie einiges klimaeffektiver als Atomkraftwerke der neusten Generation. Er bestätigt damit die Schlüsse der kürzlich veröffentlichten SES-Kurzstudie «Klimawandel und Atomkraftwerke».

Betriebskosten entscheidend

Lovins verweist im Weiteren darauf, dass die Schliessung von unrentablen AKW und Kohlekraftwerken auch bezüglich CO2-Bilanz Sinn machen kann. Entscheidend dafür seien die «klimatischen Opportunitätskosten»: Die Mittel für den Betrieb könnten für Erneuerbare und Effizienzmassnahmen eingesetzt werden. Die reinen Betriebskosten der Schweizer AKW machen ungefähr 700 Mio. Franken pro Jahr aus. Das entspricht ca. 2/3 der heutigen jährlichen Fördergelder für Erneuerbare.

Ausschreibungen für CO2-arme Produktion

Um die klimaeffektivsten Projekte zu stützen, empfiehlt Lovins Ausschreibungen für CO2-arme Stromproduktion. Die Projekte mit der besten Klimaeffektivität sollen Fördergelder erhalten. Die Schweiz kennt bislang im Vergleich zu den meisten EU-Ländern kein wettbewerbliches Mittel wie Ausschreibungen für Wind- oder PV-Anlagen.

Alle Welt will Erneuerbare

Die neusten Zahlen des WNISR belegen, dass weltweit vor allem in erneuerbare Energien wie Wind und Solar investiert wird. Letztes Jahr wurden 273 Mrd. $ für Erneuerbare ausgegeben, während in neue AKW 33 Mrd. $ investiert wurden. Selbst der grösste Investor in Atomkraft, China, gibt mehr Geld für Erneuerbare aus als für AKW. Dies liegt unter anderem daran, dass die Kosten für Wind- und Solarenergie seit 2014 deutlich unter jenen für Atomstrom liegen.

Neue Erneuerbare: Schweiz noch zögerlich

Seitdem die Preise tief sind, holen Wind und Solar bei der weltweiten Jahresproduktion in grossen Schritten auf und lieferten 2018 insgesamt 1855 TWh. Atomenergie trug 2563 TWh bei. Ähnlich sieht es in der EU aus, in der Sonne- und Windkraft in ein paar Jahren die Beiträge der Atomenergie überholt haben werden. In der Schweiz hingegen bewegt sich weiterhin wenig. Der Ausbau der Erneuerbaren kommt kaum voran.

» World Nuclear Industry Status Report 2019 (.pdf)

Über den World Nuclear Industry Status Report

Der World Nuclear Industry Status Report (WNISR) wird seit den frühen 1990er-Jahren alljährlich vom unabhängigen Energieexperten Mycle Schneider herausgegeben und zeigt die weltweiten Statistiken zur Situation der Atomindustrie. Der Report umfasst jeweils einen Fokus zu einem aktuellen Thema in der Debatte um Atomkraftwerke, zu dem verschiedene internationale Experten beigezogen werden. Der WNISR ist der einzige von der internationalen Atomenergieagentur IAEA unabhängige Report, der die weltweite Situation erfasst. Dies ist deshalb von Belang, weil die IAEA gemäss ihren Statuten nicht nur für die weltweite Überwachung der zivilen und militärischen Nutzung der Atomkraft sorgt, sondern ihr Hauptziel seit der Gründung 1957 unverändert die weltweite Verbreitung der Atomenergie für Frieden, Gesundheit und Wohlstand darstellt. Die Schweizerischen Energie-Stiftung SES ist der Ansicht, dass diese Verknüpfung von Aufsichts- und Lobby-Funktion den Regeln der Good Governance widerspricht und nicht mehr zeitgemäss ist. Die Herausgabe des WNISR wird deshalb von der SES finanziell mit unterstützt. Die SES nimmt jedoch keinen Einfluss auf die Redaktion des Berichts.

www.worldnuclearreport.org



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