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Standortentscheid mit vielen Fragezeichen und zum falschen Zeitpunkt

Fabian Lüscher,

Heute hat die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) den Standort für ein geologisches Tiefenlager bekannt gegeben. Der Schweizer Atommüll soll im Standortgebiet Nördlich Lägern zu liegen kommen. Aus Sicht der national tätigen Schweizerischen Energie-Stiftung SES und einer gemeinsamen Plattform der Organisationen Kein Atommüll im Bözberg KAIB, Nördlich Lägern ohne Tiefenlager LoTi und Kein Leben mit atomaren Risiken KLAR! SCHWEIZ kommt der heutige Entscheid zum falschen Zeitpunkt: Zu viele ortsunabhängige Fragen sind noch ungeklärt.

Die national tätige Schweizerische Energie-Stiftung SES und die regionalen NGOs KAIB, KLAR! SCHWEIZ und LoTi kritisieren gemeinsam, dass sich die Nagra schon heute auf einen einzigen Standort festlegt, bevor grundsätzliche Fragen standortsunabhängig geklärt sind:

  • Bis heute wurden keine verbindlichen Abbruchkriterien für das Tiefenlagerprojekt definiert und es liegt keine konkrete Strategie für den Fall vor, wenn es bei weiteren Untersuchungen oder späteren Bauarbeiten zu Überraschungen im Untergrund kommt. «Klare Abbruchkriterien würden für Verfahrenssicherheit im Prozess und für die betroffene Bevölkerung sorgen – unabhängig vom gewählten Standort», sagt Max Chopard, Präsident von KAIB.
  • Die Nagra muss erst nach dem heutigen Standortentscheid ein Rückholbarkeitskonzept für die radioaktiven Abfälle vorlegen. Astrid Andermatt, Co-Präsidentin von LoTi betont: «Die Rückholbarkeit ist für die nukleare Sicherheit der Atommülllagerung zentral und wird von der betroffenen Bevölkerung zwingend verlangt. Die vorliegenden Konzepte sind ungenügend und sollten für alle infrage kommenden Standorte vergleichend überprüft werden.»
  • Was das Lager-, Barriere- und Behälterkonzept angeht, bestehen noch Wissenslücken. Ungeklärt sind auch Nutzungskonflikte im Untergrund, namentlich der Schutz des Tiefengrundwassers, auf das wir in Zukunft zweifellos angewiesen sein werden.
  • Vor der Festlegung des Standorts müsste zudem ein klarer und umsetzbarer Plan für die Langzeitüberwachung – weit über die vorgesehene Beobachtungszeit von 50 Jahren hinaus – vorliegen. Die Langzeitüberwachung ist noch völlig ungeklärt – ebenso wie die Bedeutung des Standorts dafür.
  • Die Akzeptanz einer Standortauswahl hängt direkt vom Versprechen des Atomausstiegs ab. «Solange das Enddatum für die Produktion hochradioaktiver Abfälle und damit die zustande kommenden Volumina, Umfang und Dauer der Konditionierung und Einlagerungsprozesse sowie der Verschlusszeitpunkt unklar sind, wird die von der Nagra präferierte Region nur schwer von einem Tiefenlager zu überzeugen sein», erläutert die Ko-Präsidentin von KLAR! SCHWEIZ, Käthi Furrer.
  • Das weitere Vorgehen nach der Standortwahl weist ein Demokratiedefizit auf. Als einziges demokratiepolitisches Instrument bleibt ein schweizweites fakultatives Referendum nach dem Bundesratsentscheid über die Rahmenbewilligung für das Tiefenlager Ende des Jahrzehnts. «Somit muss das Lagerprojekt nicht dort überzeugen, wo es realisiert wird – es wird einfach durchgesetzt», sagt Fabian Lüscher, Fachbereichsleiter Atomenergie bei der SES, «ein Jahrtausendprojekt dieser Tragweite braucht mehr Demokratie.»

Ungeachtet regionaler und inhaltlicher Unterschiede zwischen den unterzeichnenden Organisationen besteht ein breiter, übergreifender Konsens darüber, dass die heutige Standortentscheidung innerhalb des Atommüll-Tiefenlagerprojekts zu früh kommt und einen falschen Fokus darstellt. Denn zentrale überregionale Fragen sind noch ungeklärt.

Leiterin Fachbereich Atomenergie

Stephanie-Christine Eger

Leiterin Fachbereich Atomenergie
+41 44 275 21 20
stephanie.eger@energiestiftung.ch



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