Jahresbericht 2024
Die Energiepolitik der Schweiz wurde im Jahr 2024 von zwei Schwerpunkten geprägt. Die erste Jahreshälfte stand im Zeichen der Volksabstimmung vom 9. Juni 2024 über das Stromgesetz (Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien). Das Gesetzespaket schafft die Grundlagen, damit mehr Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Wind, Sonne und Biomasse in der Schweiz produziert werden kann.
Das Stromgesetz betrifft den SES-Stiftungszweck wie wenig andere Vorlagen. Es ist der zentrale Meilenstein für die Energiewende und für den Ausstieg aus Öl, Gas und Atomstrom. Die Schweizerische Energie-Stiftung SES leitete darum das Ja-Komitee der Umweltorganisationen. Die Tatsache, dass die wichtigen Umweltorganisationen das Gesetzespaket mitunterstützen, trug zur grossen Zustimmung mit fast 70% Ja-Anteil bei. Mit dem Gesetzespaket können langjährige Kernanliegen der SES umgesetzt werden, weshalb wir uns auch finanziell stark für die Ja-Kampagne engagierten – mit Erfolg dank Ihres wertvollen Supports!
Zum Durchatmen blieb wenig Zeit. Kurz nach den Sommerferien stellte Energieminister Albert Rösti in Aussicht, dass er dem Anliegen der Initiative «Blackout stoppen», die wieder neue AKW in der Schweiz ermöglichen soll, mit einem Gegenvorschlag den Weg bereiten will. Wir erinnern uns: das ist diejenige Initiative, die im Vorjahr nur durch fragwürdigen Stimmenkauf zustande kam. Der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats sieht kurz und knapp vor, das AKW-Neubauverbot aus dem Kernenergiegesetz zu streichen. So soll die Grundlage gelegt werden, dass in der Schweiz dereinst wieder Atomkraftwerke gebaut werden können.
Wir sind konsterniert, dass der Bundesrat unmittelbar nach dem Stromgesetz-Erfolg ohne Not von der erst 2017 beschlossenen Energiestrategie 2050 abrücken will. Denn es sabotiert den raschen Ausbau der Erneuerbaren, wenn politische Energie und Investitionen wieder in neue Atomprojekte gelenkt werden. Und weil neue Atomkraftwerke frühestens in 20 Jahren ans Netz gingen, müssten fossile Kraftwerke in die Bresche springen. Wir sind überzeugt, dass genau solche Absichten dahinterstehen. Mit Recherchen und Überzeugungsarbeit setzen wir alles dran, dass Parlament und Stimmbevölkerung diesem rückwärtsgewandten und gefährlichen Ansinnen den Stecker ziehen.
Vor diesem Hintergrund haben wir die SES-Strategie überarbeitet und unsere Aufgaben und Rollen neu justiert. Möglich ist das alles nur dank der Unterstützung unserer Mitglieder und Spender:innen.
Herzlichen Dank!
Eine Auswahl der SES-Tätigkeiten 2024
Januar
Das Referendum gegen das neue Stromgesetz kommt zustande. Für die SES ist klar, dass es sich um das zentrale Gesetzespaket für eine beschleunigte Energiewende und damit Netto-Null-CO2 im Energiesektor handelt. Sie wird sich stark für ein JA zum Stromgesetz am 9. Juni 2024 einsetzen.
Februar
Die SES reagiert auf die Atom-Initiative (Blackout-Stoppen): www.atom-initiative-nein.ch.
Anwohner:innen des AKW Leibstadt reichen ein Gesuch für eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Langezeitbetriebs ein. Die SES, Greenpeace Schweiz und der Trinationale Atomschutzverband TRAS unterstützen die Anwohner:innen in ihrem Anliegen.
März
Ja-Kampagne zum Stromgesetz wird aufgegleist, zusammen mit den meisten Umweltorganisationen, darunter Aqua Viva, BirdLife, Greenpeace, Klima-Allianz, Pro Natura, Stiftung Landschaftsschutz, VCS und WWF.
Die SES publiziert ihre Studie zu 112 «Fehlanreizen» zum Energieverbrauch in Bundesgesetzen. An einem SES-Workshop werden Vorschläge diskutiert und Kriterien definiert, wie diese Fehlanreize korrigiert werden können.
April
In Bern eröffnet die SES gemeinsam mit den Umweltorganisationen und den Grünen Schweiz die Abstimmungskampagne für das JA zum Stromgesetz am 9. Juni.
Die SES publiziert ihre jährliche Studie zum Energie-Unabhängigkeitstag (17. April), die eine gute Medienresonanz erzeugt.
Mai
Der Abstimmungskampf zum Stromgesetz nimmt Fahrt auf. SES-Präsidentin Nadine Masshardt und Geschäftsleiter Nils Epprecht stehen in SRF-Sendungen für ein JA an der Urne ein. An einem SES-Politpodium im Kulturpark Zürich wird die Frage vertieft, welche Auswirkungen mit dem Stromgesetz zu erwarten sind. Die SES publiziert einen Ländervergleich bei der Solar- und Windproduktion.
Juni
Die Stimmbevölkerung nimmt das Stromgesetz wird mit 68.7% an und bestätigt die Energiestrategie 2050 und den Atomausstieg. Die SES lanciert den Atom-Appell und unterstützt die Solar-Initiative.
August
Der Tages-Anzeiger berichtet über eine SES-Recherche zur Uran-Abhängigkeit der Schweiz vom russischen Staatskonzern Rosatom, der direkt in die russische Kriegsmaschinerie involviert ist.
Der Bundesrat stellt in Aussicht, dass er mittels Gegenvorschlags zur Atom-Initiative das AKW-Neubauverbot im Kernenergiegesetz aufheben will. Die SES opponiert scharf und bekräftigt ihren Atom-Appell.
September
Die SES fordert einen sofortigen Marschhalt beim Gegenvorschlag zur Atom-Initiative «Blackout stoppen». Ermittlungen wegen Unterschriftenfälschung beim Sammeln für die Initiative werden publik.
Der Atom-Appell wird mit fast 25 000 online gesammelten Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Oktober
Die SES nimmt den neuen Mustervorschriften für die Kantone im Energiebereich (MuKEn 2025) Stellung und empfiehlt über 100 konkrete Massnahmen. Ziel ist, eine rasche Dekarbonisierung im Gebäudebereich zu ermöglichen.
November
Die Nagra reicht ihr Gesuch um Rahmenbewilligung für das Atommüll-Endlager bei Stadt ZH ein. Die SES nimmt an einer Kundgebung der Kritiker:innen teil. An einem Workshop werden mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis Strategien diskutiert, wie das Thema Energiesuffizienz breiter verankert und das grosse Energiesparpotenzial in der Schweiz besser genutzt werden kann.
Dezember
Die Axpo gibt bekannt, dass sie die Reaktoren des AKW Beznau in den Jahren 2032 und 2033 stilllegen wird. Die SES begrüsst, dass endlich ein Abschaltdatum für das älteste AKW der Welt vorliegt.
Kurz vor Weihnachten legt der Bundesrat seinen Gegenvorschlag zur Atom-Initiative zur Vernehmlassung vor. Das AKW- Neubauverbot soll aus dem Kernenergiegesetz gestrichen werden. Die SES kritisiert, dass neue AKW zu teuer, gefährlich und umweltschädlich sind sowie den Ausbau der Erneuerbaren und damit das Erreichen der Klimaziele gefährden.
Das AKW Leibstadt geht nach 40 Jahren in den Überzeitbetrieb. Weil die Anwohnenden noch keine Antwort auf ihr Gesuch vom Februar erhalten haben, gelangen sie, unterstützt durch die SES, mit einer Rechtsverzögerungsklage ans Bundesverwaltungsgericht. Ein paar Tage danach trifft die Verfügung des UVEK ein: es lehnt das Gesuch ab.
Das ganze Jahr
Für eine intelligente, menschen- und umweltfreundliche Energiepolitik sind wir vielerorts im Einsatz. Mal sicht- und hörbar in den Medien, mal vertraulich in Gesprächen mit Verwaltung, Wirtschaft oder Politik. Als kompetente Anlaufstelle werden wir von Medienschaffenden, Politikerinnen und Politikern und sonstigen Interessierten geschätzt. Wir vermitteln Hintergrundwissen und nehmen öffentlich Haltung ein. Immer mit der Botschaft und der Überzeugung, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört.
Vielen Dank für Ihre unverzichtbare Unterstützung!