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Energie und Umwelt - Verzichten verboten?

High Noon in der Wandelhalle

Der zurückliegende Herbst war voller Energiepolitik. Und die SES war mit ihren Anliegen und ihrem Engagement mittendrin.

Von Nils Epprecht*

In der Herbstsession fällte der Ständerat als Erstrat im sogenannten «Mantelerlass» wichtige Vorentscheide zur Energieversorgung ab 2025. Beim Ausbau der Erneuerbaren setzte er ein ambitioniertes Ziel von 35 Terawattstunden bis 2035. Das führt nahe ans Ziel, den Energieverbrauch für Gebäude und Mobilität durch deren Elektrifizierung zu dekarbonisieren, und entspricht einer Forderung, die die SES im Frühling zusammen mit der Umweltallianz platziert hat. Darüber hinaus legte der Ständerat den Boden für attraktivere Verhältnisse für kleine, infrastrukturgebundene Solaranlagen und Energiegemeinschaften.

In der Herbstsession 2022 hat die Energiewende in Bundesbern Fahrt aufgenommen. Bild: Parlamentsdienste 3003 Bern.

Umgekehrt konnte die SES mitverhindern, dass die Restwassermengen unter ein für Wasserlebewesen existenzielles Mass gesenkt wurden. Erfolglos waren wir aber beim Schutz besonders wertvoller Gebiete für die Biodiversität. Obwohl die Potenziale und die Akzeptanz der Bevölkerung minimal sind, dürften gemäss Ständerat künftig im Maderanertal oder in der Greina Wasserkraftwerke gebaut werden. Ein unverständlicher Entscheid, der wenig mit Versorgungssicherheit zu tun hat. Er trägt in erster Linie den finanziellen Interessen der Gebirgskantone Rechnung.

Parlament legt Solar-Sprint hin

Beide Räte verabschiedeten ein dringliches Gesetz, das eine Solarpflicht auf neuen Gebäuden, alpine Solaranlagen in der freien Fläche per Schnellvefahren sowie die Erhöhung der Grimselstaumauer ermöglicht. Das Gesetz wurde sowohl von Verfassungsrechtler:innen wie auch von Natur- und Landschaftsschützer:innen scharf kritisiert. Die SES erkannte jedoch die Chance, bei den Erneuerbaren endlich ein Tempo hinzulegen, das die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels nicht völlig illusorisch erscheinen lässt. So unterstützten wir Vorschläge, die die anfänglichen Widersprüche mit dem Planungs- und Umweltrecht zu heilen versuchten.

Fossiles Back-up entgegen den Klimazielen

Fast unbemerkt blieb, dass der Bundesrat per Notrecht rund eine Milliarde Franken in den Ausbau fossiler Produktionsanlagen investierte. Für uns der viel schwererwiegende Sündenfall. Auch wenn diese Anlagen vor allem als Back-up zum Einsatz kommen und kurzfristig die Versorgung sichern helfen sollen, sind die Investitionen unverhältnismässig hoch und schaffen gefährliche neue fossile Pfadabhängigkeiten. Paradox, da doch die aktuelle Energiekrise vor allem eine fossile Krise ist. Die SES wird sich weiterhin politisch gegen neue fossile Infrastruktur wehren.

Die energiepolitische Bilanz des Herbsts ist damit zwiespältig und kulminiert ganz zum Schluss gar in der Frage: Zieht die Erdöllobby in das Energiedepartement?

*Der Autor

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