Atommüll-Endlager als offene Deponie?
Nils Epprecht,
Kundgebung vom 19.11.2024 gegen das Atommüll-Lager
veranstaltung/loti-kundgebung-gegen-tiefenlager«Liebe Bewohner:innen der Region nördlich Lägern
Heute morgen hat die Nagra ihr Gesuch um Rahmenbewilligung für das Atommülllager gleich hier um die Ecke in Stadel eingereicht. Dass sie das überhaupt tun muss, ist der Erfolg von zahlreichen Anti-Atom-Demonstrationen von früher. Daraufhin entschied der Bundesrat 1977, dass auch ein Lager für radioaktive Abfälle eine Rahmenbewilligung braucht – und nicht bloss ein Atomkraftwerk selbst.
Auf Antrag des damaligen Nationalrats und Mitgründers der Energie-Stiftung Franz Jaeger, forderte das Parlament, dass für die Bewilligung für Atomkraftwerke, Zitat: «die dauernde und sichere Entsorgung und Endlagerung der aus Atomanlagen stammenden radioaktiven Abfälle sichergestellt sind». Zitatende.
Jetzt, 47 Jahre später, meint die Nagra, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben und reicht, nach unzähligen Misserfolgen, Kommunikationspannen und Neustarts, endlich ein Rahmenbewilligungsgesuch ein. Ein Gesuch für ein Tiefenlager, das in 33 Jahren in Betrieb genommen werden soll. Das anstelle der mehreren 100 Millionen Franken wie ursprünglich geschätzt, weit über 10 Milliarden Franken kosten wird. Und bei dem keinesfalls sicher ist, ob es hält, was es verspricht: Den sicheren Einschluss hochgefährlicher Stoffe für die nächsten Jahrtausende.
Was die Nagra hier heute startet, ist nicht einfach ein Generationen-Bauprojekt, das ist ein Gesellschaftsprojekt mit dem Namen: «Wie sollen wir mit dem gefährlichen Erbe der Atomkraft umgehen?». Für die Antwort auf diese Frage von enormer politischer Tragweite ist alleine die Nagra zuständig. Eine private Gesellschaft im Besitz der AKW-Betreiberinnen.
Sie, liebe Bülacherinnen und Stadler, liebe Weiacherinnen und Glattfelder, dürfen zwar ein wenig mitreden, Medienkonferenzen und Kundgebungen veranstalten – aber nicht mitentscheiden. Das ist sehr stossend.
In einer anderen Sache schlägt die ständerätliche Kommission aktuell gerade vor, dass künftig jede Gemeindeversammlung bei einer Windkraftanlage ein Veto sprechen kann. Bei einem Windrad wohlgemerkt, mit sehr begrenzten und überschaubaren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Bei einer radioaktiven Deponie für die nächsten hunderttausend Jahre hingegen, gibt es nur ein «fakultatives» Referendum auf nationaler Ebene. Ihre Ängste und Sorgen, liebe Anwesende, werden dabei leicht zu übergehen sein.
Es ist aber noch viel schlimmer: Während die Atomfantasien der 60er und 70er Jahre zu Albträumen geworden sind, hat der Bundesrat, angeführt von Energieminister Rösti, kurzerhand entschieden, dass künftig in der Schweiz wieder neue Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Wie können wir noch mehr Atommüll verantworten, wenn wir nach Jahrzehnten noch nicht einmal wissen, wie wir den bestehenden sicher lagern sollen?
Die Nagra hat sich sogar genötigt gefühlt, zu kommunizieren, das von ihr geplante Lager gilt nur für die aktuellen Abfälle und habe dann keinen Platz für neue. Doch wer denkt, dass Bundesrat Rösti sich dadurch bremsen lasse, irrt. Der vermeintliche Standort ist gefunden und das Gesuch für die Rahmenbewilligung eingereicht – mehr braucht es vorderhand nicht.
Die Konsequenzen für Sie, liebe Anwohnerinnen und Anwohner, sind absehbar: Werden die Neubaupläne verwirklicht, wird das hier schnell zu einer offenen Deponie und die Einlagerung zu einer Daueraufgabe ohne Schlusspunkt werden.
Die Vorstellung, dass wir an den Bau neuer Atomkraftwerke denken, während wir noch nicht einmal die Sicherheitsfragen und das Müllproblem der alten gelöst haben, ist geradezu absurd. Es ist unsere Pflicht, hier nicht still zu bleiben.
Wir von der Energie-Stiftung werden dagegen antreten. Auch für Ihre Region. Ich bedanke mich schon jetzt, wenn Sie mit uns gehen.»
Nils Epprecht
Geschäftsleiter
+41 44 275 21 21
nils.epprecht@energiestiftung.ch
@nepprecht