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Energie und Umwelt - Wo bleibt die Stromwende?

Energieeffizienz: Es braucht gesetzliche Vorgaben

Netto Null CO2-Emissionen bis 2030 – So lautet die Forderung der Klimabewegung in der Schweiz. Eine Lösung heisst: Elektrifizierung von fossilen Anwendungen. Doch welchen Mehrverbrauch zieht das nach sich? Und welche Rolle spielt dabei die Energieeffizienz? Zwei Experten ordnen ein.

Von Jürg Nipkow und Conrad U. Brunner*

Weg von CO2 heisst hin zu strombasierten Anwendungen. Die Elektrifizierung des Wärmebereichs (Heizen, Kühlen, Warmwasser) und des Verkehrs ziehen einen Mehrverbrauch nach sich, der sich aber dank Energieeffizienz in Grenzen halten kann. Was ist zukünftig möglich? Welche Massnahmen braucht es?

Haushalte: Elektroheizungen und -boiler ersetzen

Der Stromverbrauch in den Haushalten ist seit 2006 etwa gleich geblieben, obwohl die Anzahl Haushalte um rund 15 % stieg. 2017 betrug dieser Verbrauch 19,2 TWh Strom (32,9 % CH-Stromverbrauch). Darin enthalten sind rund 200'000 Elektroheizungen sowie 300'000 Elektro-Wärmepumpen, deren Verbrauch jährlich beträchtlich schwankt, weil sie vom Wetter abhängig sind. Insgesamt werden etwa 7,5 TWh für Raumheizung und Warmwasser eingesetzt oder knapp 40 % des Stromverbrauchs der Haushalte.

Damit die Strom- & Energiewende gelingt, braucht es Effizienzvorschriften.

Kurzfristig kein Mehrverbrauch

Dieser Stromverbrauch wird trotz steigender Anzahl Wärmepumpen kurzfristig kaum zunehmen oder sogar etwas abnehmen, weil Elektroheizungen und -boiler durch effizientere Systeme wie Wärmepumpen und Sonnenkollektoren ersetzt und effizientere Umwälzpumpen und andere Hilfsenergieapparate eingesetzt werden. Allerdings ist bisher die Abnahme der Elektroheizungen und -boiler noch recht klein. Um dieses Sparpotenzial von mindestens 5 TWh schneller zu reduzieren, sind politische Massnahmen nötig, was dazu führt, dass der Stromverbrauch für Wärmepumpen (für Heizung und Warmwasser) schneller zunehmen wird. Da gleichzeitig der Heizwärmebedarf abnehmen wird (durch Wärmedämmung und Solarwärme) und Strom eingespart wird (durch den Ersatz von Elektroheizungen und Elektroboilern), ergibt sich durch den Umstieg von Öl/Gas- zu (grossenteils) Wärmepumpen-Heizungen eine relativ bescheidene Zunahme.

Haushaltgeräte und Beleuchtung

Eine 2018 veröffentlichte Studie des Bundesamts für Energie zeigt, dass der Stromverbrauch der Haushalt-Grossgeräte seit etwa 2010 zu sinken beginnt, trotz Zunahme der Anzahl Haushalte, von 2010 bis 2017 um fast 10 %. Der Verbrauch der IT-Geräte sank sogar seit 2008 markant um rund  5 %. Dies trotz Zunahme der Gerätezahl bei beiden Kategorien. Gerätekategorien mit hohen Effizienzgewinnen sind Kühl- und Gefriergeräte (seit 2012 nur noch A++/A+++) sowie Wäschetrockner (seit 2012 nur noch mit Wärmepumpe, gegen 50 % Einsparung). Die Beleuchtung machte im 2017 rund 10 % eines typischen Haushalt-Stromverbrauchs aus. Dieser Wert wird dank dem Verschwinden von Glüh- und Halogenlampen respektive dem Ersatz durch LED weiter sinken.

FAZIT: Bei Haushalten und Wärmepumpen ist mit einer relativ langsamen und bescheidenen Zunahme des Stromverbrauchs zu rechnen. Der Stromverbrauch für Geräte und Beleuchtung sollte weiter abnehmen. Allerdings ist zu erwarten, dass durch die Zunahme der Anzahl Haushalte die Effizienzgewinne teilweise kompensiert werden. Die «Winter-Lastigkeit» des Verbrauchs kann wegen des Ersatzes der Elektroheizungen sogar abnehmen.

Die Industrie wird effizienter

Die Industrie verbrauchte 17,9 TWh (30,6 % CH-Stromverbrauch 2017). Elektrische Antriebssysteme sind für 70 % bis 80 % des Verbrauchs verantwortlich. Der Verbrauch ist dank Effizienz gesunken: Pumpen, Ventilatoren, Kompressoren und Maschinen sind stetig effizienter geworden. Dank gesetzlicher Mindestanforderungen haben sich die neuen IE3- und IE4-Motoren rascher am Markt verbreitet. Der Einsatz von Frequenzumrichtern (FU) bei Maschinen mit wechselnder Last steigt von 20 % langsam auf 50 % aller Antriebe.

Immer effizientere Industriemotoren fangen einen Teil des Mehrverbrauchs durch die Elektrifizierung auf. Bild: www.stock.adobe.com/Doin Oakenhelm

Dienstleistung: mehr Effizienz dank Vorgaben

Der Dienstleistungssektor verbrauchte 15,7 TWh Strom (26,8 % CH-Stromverbrauch 2017). Der Verbrauch steigt mit zunehmendem Klimatisierungsbedarf: Der Anteil der elektrisch angetriebenen Systeme (Pumpen, Ventilatoren und Kältekompressoren) ist dabei auf 40 % bis 50 % des Gesamtverbrauchs einer Universität, eines Spitals oder eines Bürogeb.udes angestiegen. Moderne Lüftungsanlagen bestehen aus Motor, Frequenzumrichter und Ventilator mit rückw.rtsgekrümmten Schaufeln. Lastabhängig geregelte Direktantriebe sind heute die Standardlösung. Die Energieeffizienz ist dank Mindestanforderungen für Pumpen und Ventilatoren und FU deutlich gestiegen.

Elektromobilität: Es braucht Effizienzvorschriften

Der Verbrauch der Elektromobilität lag 2017 bei 4,7 TWh (8,1 % CH-Stromverbrauch), welcher mit der Zunahme von Elektrofahrzeugen weiter steigt. Die Effizienz aller elektrisch angetriebenen Fahrzeuge im öffentlichen und privaten Bereich ist vom Fahrzeuggewicht, dem Auslastungsgrad und dem Wirkungsgrad im rasch wechselnden Teillastbetrieb abhängig. In einem Elektroauto sind 500 bis 800 kg zusätzliche Last für Batterien, inkl. Kühlung und Brandschutz, mitzuschleppen. Dies erfordert für die Beschleunigung übergrosse Antriebsleistungen. Ein Teufelskreis, der erst mit leichteren Fahrzeugen und wirksameren Batterien gelöst werden kann. Effizienzvorschriften können die nötigen Anreize schaffen.

FAZIT: Bei den drei grossen Bereichen Industrie, Dienstleistungen und Verkehr besteht ein Widerspruch zwischen steigender Effizienz und wachsendem Bedarf. Die Effizienz lässt und liess sich dank politischer Interventionen und gesetzlicher Mindestanforderungen massgeblich steigern.

*Die Autoren

Jürg Nipkow

Jürg Nipkow

Dipl. Ing. Jürg Nipkow, Geschäftsleiter der Arbeitsgemeinschaft Energie-Alternativen (ARENA) und ehemäliger Präsident der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz S.A.F.E., hat für diesen Artikel den Sektor Haushalte analysiert.

www.arena-energie.ch

Conrad U. Brunner

Conrad U. Brunner

Dipl. Architekt ETH Conrad U. Brunner, Energieplaner, Impact Energy, Zürich und S.A.F.E.-Mitglied, hat für diesen Artikel die Sektoren Industrie, Dienstleistungen und Verkehr analysiert.

www.topmotors.ch

 

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