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Freiflächen-Photovoltaik: Sinnvolle Ergänzung zu solaren Dächern und Fassaden

David Stickelberger,

Der von den eidgenössischen Räten in der Herbstsession hingelegte «Solar-Sprint» sorgte für viel Gesprächsstoff und tut es immer noch. Fast im Wochentakt tauchen neue, immer noch gigantischere Pläne für alpine Solarprojekte auf. Können wir so unsere Energieversorgungsprobleme schnell und ohne grossen Aufwand lösen? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

Alpine Photovoltaik-Anlagen werden zweifellos einen Beitrag zur zukünftigen Stromversorgung leisten, nicht zuletzt wegen der hohen Wintererträge dank Nebelfreiheit und Schneereflexion. Allerdings gibt es weltweit erst wenige hochalpine Freiflächenanlagen, entsprechend sind deren Erstellungs- und Betriebskosten zurzeit schwierig abzuschätzen. Fehlende Erschliessung mit Strassen und Stromleitungen, Schutz der Anlagen vor Lawinen und Steinschlag sowie die wetterfeste Befestigung der Module sind nur einige der Gründe, weshalb wohl nicht alle geplanten Projekte bis Ende 2025, wenn das Notgesetz ausläuft, in Betrieb sein werden.

Technisch einfacher sind Agri-Photovoltaik-Anlagen im Landwirtschaftsgebiet. Seit Juli 2022 können sie bewilligt werden, sofern sie «in wenig empfindlichen Gebieten Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion bewirken». Ein solcher Vorteil kann beispielsweise der Schutz vor Hagelschlag oder vor übermässiger sommerlicher Hitze sein. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass insbesondere Beerenkulturen von einem solchen Schutz profitieren können. In vielen Fällen könnten Agri-PV-Anlagen bisherige Schutzvorrichtungen wie Folientunnels ersetzen. Die sehr restriktive Formulierung der Raumplanungsverordnung lässt den Bau solcher Anlagen auf Acker- oder Grünflächen hingegen derzeit nicht zu.

Das grösste Potenzial liegt auf bestehenden Gebäuden & Infrastrukturen

Freiflächenanlagen haben also ein beträchtliches Potenzial. Aber man muss nicht immer in die Ferne schweifen, denn das grösste Solarpotenzial liegt auf bereits bestehenden Gebäuden und Infrastrukturen. Auf den am besten geeigneten Dächern und Fassaden liessen sich jährlich rund 70 Terawattstunden Solarstrom erzeugen. Meist nahe am Verbrauch und ohne zusätzliche Leitungen, denn unsere Gebäude sind für rund 45 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Das realisieren auch immer mehr Gebäudebesitzer:innen, wie die seit 2019 jährlichen Schweizer Photovoltaik-Wachstumsraten von rund 40 Prozent zeigen. Die entscheidende Frage lautet: Schaffen wir es auf diesem Weg innerhalb der nächsten maximal 25 Jahre eine Jahresproduktion von rund 45 Terawattstunden Solarstrom zu erreichen? So viel wäre nötig, um Dekarbonisierung und AKW-Ersatz ohne zusätzlichen Import bewältigen zu können.

«Auf den am besten geeigneten Dächern und Fassaden liessen sich jährlich rund 70 Terawattstunden Solarstrom erzeugen.» Bild: zVg

Wenn diese Produktion allein auf Dächern erreicht werden soll, so wären 95 Prozent aller bestehenden Gebäude mit einer Solaranlage auszustatten, wie Prof. Jürg Rohrer von der ZHAW errechnet hat. Angesichts dieses sehr anspruchsvollen Ziels scheint es sinnvoll, auch auf gut geeignete Solaranlagen ausserhalb von Bauten zu setzen. Im Vordergrund stehen dabei aus Sicht von Swissolar bereits erschlossene Flächen im Gebirge, beispielsweise rund um Skigebiete, Stauseen, Verkehrswege, Windturbinen.

Gebäude-Solarifizierung dringend nötig

Doch auch bei den Gebäuden braucht es zusätzlichen Schub. Wer aufmerksam durchs Land fährt, sieht leider immer noch zuhauf kürzlich neu erstellte oder sanierte Dächer ohne Solaranlagen, vom grossen ungenutzten Fassadenpotenzial (insgesamt 17 TWh/Jahr) ganz zu schweigen. Dabei wären Neubauten und Sanierungen der ideale Zeitpunkt für eine Gebäude-Solarifizierung. Weil Freiwilligkeit offensichtlich also immer noch nicht reicht, braucht es eine schweizweite Solarpflicht; nicht nur für Neubauten, sondern auch bei Gebäudesanierungen. Letzteres wurde bisher erst im Kanton Basel-Stadt beschlossen. Der Nationalrat hat es in der Hand, diese dringend notwendige Pflicht in die laufende Revision des Energiegesetzes einzubauen.

David Stickelberger

David Stickelberger

Geschäftsleiter von Swissolar, dem Schweizer Fachverband für Sonnenenergie.

www.swissolar.ch



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